Werner Köhler verstorben

Die Akademie trauert um ihr Mitglied

Zum Gedenken an den Präsidenten (seit 1991) und Ehrenpräsidenten (seit 2010) der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Werner Köhler, der am 2. August 2021 in Freiburg im Breisgau gestorben ist

Die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt verliert mit dem Mikrobiologen, Immunologen und Ethnologen sowie Medizinhistoriker Werner Köhler ihren ersten Repräsentanten, der nach der friedlichen Revolution als frei gewählter Präsident 1991 die Leitung der Akademie übernahm, ihre Geschicke zwanzig Jahre souverän, umsichtig und engagiert lenkte sowie ihre Arbeit seit 2010 weiterhin als Senator und Ehrenpräsident mit wachem Geist begleitete. Die Akademie wird ihm als insgesamt seit ihrer Gründung im Jahr 1754 XII. und nach Wiederaufnahme der Arbeit 1990 erstem Präsidenten ein ihn ehrendes Gedächtnis bewahren.

Geboren am 24. März 1929 in Dresden, immatrikulierte sich Werner Köhler nach Abschluß der Oberschule 1945 an der Friedrich Schiller Universität Jena. Hier studierte er Medizin, Ethnologie und Anthropologie und schloß das Studium 1951 mit dem Medizinischen Staatsexamen und der Approbation ab. 1951/52 war er als Assistent in Jena, 1952/53 am Forschungsinstitut für Mikrobiologie und Hygiene in Bad Elster tätig. 1953 erfolgte die ethnologische Promotion zum Dr. rer. nat. mit einer Arbeit zum Thema „Der afrikanische Holzmörser. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Nahrungswirtschaft“ in Jena und 1954 die medizinische Promotion an der Universität Rostock zum Dr. med. mit der Arbeit „Streptolysin und Antistreptolysin mit besonderer Berücksichtigung der Antistreptolysin-Reaktion“. Zuerst als Assistent, 1956 dann als Oberarzt und Facharzt für Bakteriologie und Serologie habilitierte er sich 1957 mit der Arbeit „Pseudomonas aeruginosa (Bact. pyocyaneum): Cytologie, L-Cyclus, Biochemie und Serologie“ und wurde in Rostock als Dozent für Medizinische Mikrobiologie tätig. 1958 habilitierte er sich um nach Jena und wechselte an das Jenaer Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin, wo er 1961 zum Professor der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin ernannt wurde. Daneben war er 1966 bis 1972 nebenamtlich auch Direktor des Forschungsinstituts für Mikrobiologie und Hygiene in Bad Elster. 1970 wurde er Bereichsleiter und 1976 stellvertretender Institutsdirektor am Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie. Von 1992 an war er an der Gründung des Instituts für Experimentelle Mikrobiologie an der Universität Jena beteiligt. Hier wirkte er zudem von 1993 bis 1995 als Ordinarius für Experimentelle Mikrobiologie und Immunchemie.

1968 wurde Werner Köhler Obermedizinalrat und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1979 bis 1983 dort Obmann der Sektion Medizinische Mikrobiologie und Hygiene und 1983 bis 1990 Sekretar für Medizin, 1990 bis 2000 ihr Vizepräsident. 1970 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, später der DDR, 1990 der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, die in diesem Jahr ihre jahrzehntelang ruhende Arbeit wiederaufnahm. Im Jahr darauf wurde er Senator und ihr XII. Präsident von 1991 bis 2010. Am 12. Juni 2010 ernannte der akademische Senat Professor Dr. Dr. Dr. h. c. Werner Köhler, der sich als ihr Präsident von 1991 bis 2010 einzigartig um die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt verdient gemacht hatte, zu ihrem Ehrenpräsidenten. 1990/91 war er Mitglied in der zeitweiligen Beratungskommission „Grundlagenforschung“ des Bundesministers für Wissenschaft und Technologie, 1991 Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Streptokokken des Bundesministeriums für Gesundheit sowie Mitglied im Kuratorium der Karl-Heinz-Beckurts-Stiftung. Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wurde er 1994.

Als früheste Ehrung wurde Werner Köhler 1970 der Virchow-Preis verliehen. 1972 wurde ihm der Aronson-Preis des Senats von Berlin zugesprochen, den er 1992 entgegennehmen konnte. 1982 wurde er Ehrendoktor – Dr. med. h. c. – der Universität Umeå in Schweden. 1985 erhielt er den Vaterländischen Verdienstorden in Silber, 1988 den Nationalpreis III. Klasse für Wissenschaft und Technik. 1990 wurde er Ehrenmitglied des Kitasato-Instituts Tokyo und mit der Kitasato-Medaille ausgezeichnet. 1997 erhielt er die Ferdinand Cohn-Medaille, 1999 die Verdienst-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und 2000 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Sprechen allein die internationalen Auszeichnungen schon eine deutliche Sprache, so lassen sie doch die damit gewürdigte Person Werner Köhler in ihrer Integrität, Strahlkraft, ihrem staunenswerten Interessenhorizont und ihrer durch alle Arbeitsamkeit und Pflichtbewußtheit stets hindurchschimmernden Humorigkeit nur erahnen. Die fachliche Würdigung des hochangesehenen Wissenschaftlers Werner Köhler muß aus berufenem Munde kommen. Der guten Zigarre und einem würzigen Traminer nicht abgeneigt, war dieser unermüdlich zielstrebige Wissenschaftler ein seine Söhne Dr. med. vet. Michael und Bernhard Köhler mit Stolz erfüllender Familienvater, den seine Frau Marie-Luise, geb. Harz, am 29. November 2012 als trauernden Witwer nach 56 gemeinsamen Jahren zurückließ. Seine tatkräftige Teilnahme an den wissenschaftlichen Veranstaltungen der Akademie und ihren für Organisation, Aufbauarbeit und Strukturierung bedeutsamen Senatssitzungen war von höchstem Anspruch und wissenschaftlichem Ethos geprägt. Es ist mir nicht erinnerlich, daß er bei einer der Sitzungen, bevor er Anfang 2018 in die Nähe seines Freiburger Sohnes zog, je gefehlt hätte. In schmerzlicher persönlicher Erinnerung an den am 12. Dezember 2018 verstorbenen Generalsekretar PD Dr. Jürgen Kiefer würdigte ihn Ehrenpräsident Werner Köhler als „unersetzbar“: „Für mich war er eine Bereicherung meines Lebens über mehr als ein Vierteljahrhundert.“ Auch von Freiburg aus blieb er an der Arbeit der Akademie lebhaft beteiligt. Davon zeugt auch seine letzte Teilnahme an der 9. Virtuellen Senatssitzung am 23. Juli 2021. Bei dieser Gelegenheit durfte ich ihm den Dank des Senats „seiner“ Akademie für seine gerade fertiggestellte monumentale „Geschichte der Trypanosomenforschung“ aussprechen, die er in einem gebundenen Exemplar (Teil I und II, Freiburg 2020, XV, 1286 S.) soeben der Akademie übereignet hatte. Da wußte ich noch nicht, daß mein Dank bereits einem unvergleichlichen Vermächtnis galt, dem zuletzt seine dreibändige „Geschichte der Medizinischen Mikrobiologie“ vorausgegangen war.

Hochverehrter Herr Ehrenpräsident, väterlicher Freund, lieber Werner Köhler!
Wir – Präsidium, Senat, Ihre Akademie – danken Ihnen von Herzen und werden Sie in dankbarer Erinnerung behalten.

Klaus Manger

Jena, Erfurt, den 11. August 2021

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